Das ehrgeizige, auf 1,5 Milliarden Euro geschätzte Investitionsprojekt des Chemiekonzerns BASF sollte den Heimatstandort Ludwigshafen stärken und den Konzern etwas unabhängiger vom teuren Rohstoff Öl machen. Doch die geplante Kohlevergasungsanlage wird nun doch nicht gebaut. Als Grund nennt BASF die Unsicherheit über den künftigen Emissionshandel in Europa. 30 Jahre sollte die Anlage laufen. Dafür sei Investitionssicherheit nötig. So aber scheut der Konzern das Risiko, das für ihn bei der Anlage mit den ungewissen Vorgaben der EU- Klimaschutzpolitik verbunden ist.
Das Beispiel zeigt: Es ist nicht einfach für die Chemieindustrie, ihre Abhängigkeit vom Rohstoff Öl zu verringern, auch nicht in Zeiten, in denen das schwarze Gold teuer ist und in absehbarer Zeit immer knapper wird.

OPEC
Niemand werde bei dem Chemiekonzern noch beim Branchenverband VCI, bestreiten, dass die Branche extrem abhängig vom Öl ist. Öl sei zentraler Einsatzstoff. Und das wird mittelfristig so bleiben. Eine Schmerzgrenze beim Preis gibt es daher nicht. Das heißt: Für Öl zahlt die Chemie, was gefordert wird, höhere Preise reicht die Branche an ihre Kunden weiter. Letztlich zahlt der Endverbraucher wie immer die Zeche, so beim Kauf von Autos, Dämmstoffen, Waschmitteln, Farben oder Lacke. Gelingt es den Firmen nicht, höhere Erzeugerpreise durchzusetzen, rechnet sich die Herstellung mancher Produkte wegen des teuren Öls nicht mehr. Dann drohen Personalabbau und sogar Produktionsstopps, bis hin zu Werksschließungen oder Werksverlagerungen in billigen Lohnländern.
VCI- Zahlen zufolge verbraucht der Industriezweig jährlich mehr als 18 Millionen Tonnen Rohölprodukte. Dabei dient das Öl in der Chemieproduktion zu fast 95 Prozent als Rohstoff in Form von Rohbenzin (Naphta) und nur zu gut fünf Prozent als Energieträger. Die Ausgaben der Branche für Rohölprodukte kletterten nach Angaben des Verbandes im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. 2008 werden sie wohl weiter steigen, auch wenn der hohe Euro etwas dämpfend wirkt, weil Rohöl überwiegend in Dollar abgerechnet wird.
Erdgas, Kohle und Biomasse könnten Erdöl als Rohstoff in der Produktion ergänzen: wohlgemerkt: ergänzen, nicht ersetzen.
Gut 90 Prozent der gesamten Chemieherstellung entfallen auf die Sparte Polymere, Pharmazeutika, Fein- und Spezialchemikalien, Petrochemikalien sowie Wasch- und Körperpflegemittel. Deren Rohstoffbasis besteht zu 80 Prozent aus Öl (Naphta), acht Prozent aus Erdgas mit dem Hauptbestandteil Methan, zehn Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen wie pflanzlichen Ölen, Fetten und Zucker sowie zwei Prozent aus Kohle. Diese vier Rohstoffquellen liefern Kohlenstoffverbindungen in unterschiedlichsten Ausprägungen, aus denen sich nahezu die gesamte Produktplatte der Chemie ableitet. Dieses Prinzip, betonen Fachleute gelte weltweit: Ohne Kohlenstoff gebe es keine organisch- chemische Produktion. Ein Experte meint: „Das gilt für die gesamte belebte Natur. Leben basiert auf biochemischen Prozessen, deren unverzichtbare Basis Kohlenstoffverbindungen sind – vom einfachen Zuckermolekül über Proteine bis zum komplexen DNA- Strang.

Öl Gas
Ohne Kohlenstoff geht es nicht; und Alternativen zum Öl sind rar. Eine Ersatzlösung ist auf dem ersten Blick die Kohleverflüssigung, wie sie auch BASF bei dem geplanten Projekt angestrebt hatte. (Schmutziger Sprit aus Kohle).
Kohleveredelung war in Deutschland ein großes Thema nach der ersten Ölkrise des Jahres 1974. Sechs Jahre danach gab es ein Programm, das 14 Großprojekte zur Kohlenvergasung und Verflüssigung beinhaltete. Dessen damaliges Volumen: Stolze 13 Milliarden D-Mark. Die Anlagen wurden aber nie gebaut. Die fielen dem folgenden Einbruch der Ölpreise zum Opfer.
Die zweite Alternative zum Öl ist die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Nach den neusten Zahlen aus dem Jahr 2003 geht es dabei um zwei Millionen Tonnen, die etwa ein Zehntel der Rohstoffbasis der Chemie ausmacht. Ein Drittel davon stammt aus heimischem Anbau. Zucker, Fette und Zellulose sind dabei die wichtigsten Träger von Kohlenstoff. Deren Haupteinsatzgebiet sind die Tensidherstellung, die Klebstoff und die Faserproduktion. Nach VCI- Meinung muss die Forschung auf diesem Gebiet intensiviert werden. Nötig sei auch eine verstärkte Forschungsförderung bei der stofflichen Verwertung, um die Verwendung von Biomasse in der Chemie künftig zu forcieren. Laut VCI: Ob Rohstoffe vom Acker sich bereits in den nächsten Jahrzehnten zu einer echten wirtschaftlichen Alternative für fossile Ressourcen entwickeln lassen, hängt stark vom künftigen Niveau der Öl- und Gaspreise und vom weitern Forschungsergebnissen ab.
Biomasse ist auch bei BASF ein Thema. Der Konzern gibt aber zu bedenken: Nachwachsende Rohstoffe bieten Vorteile wie eine günstige Kohlendioxid- Bilanz oder die praktisch unbegrenzte Reichweite. Ihr großflächiger Anbau ist allerdings mit der Entstehung weiterer Monokulturen verbunden und steht im Wettbewerb mit der Nahrungsmittelproduktion.