Öl aus Sand
Das ist die Geschichte eines Ressource – Öl- Sandgewinnung. Sie spielt in einer rauen Wirklichkeit, umweit des nördlichen Polarkreises.Die Lage scheint hoffnungslos, sie raubt selbst erfahrenen Ölmännern den Schlaf. Ölmultis wie Shell, suchen nach einem derzeit äußerst knappen Rohstoff – und Personal. Gesucht werden Ingenieure, Techniker, Schweißer und Schlosser, Fachkräfte aus allen Teilen der Welt, ob aus Venezuela, Europa oder Südafrika.
Die kanadische Provinz Alberta ist Opfer der Öl-Sandgewinnung. Fort McMurray ist kurzerhand zur Boomtown aufgestiegen. Weil nicht nur Shell hier die Produktion von Ölsand verdreifachen will – die immer zahlreichere Konkurrenz hat ähnliche gigantische Pläne. Die Franzosen haben sich engagiert, selbst Chinas Ölriesen kaufen sich ein. 50 Milliarden Euro, schätzen Experten, werden die Ölkonzerne in den nächsten Jahren in den energiehaltigen Sand investieren.
Es wird gebaggert und gebuddelt, man müht sich nach Kräften, das ambitionierte Wachstum der Ölkonzerne sicherzustellen. Der hohe Ölpreis hat schuld, dass sich im Nordwesten Kanadas ein rauschartiger Zustand ausbreitet wie zu seligen Klondike- Zeiten. Bei Förderkosten von 20 Dollar wird die Ölsandtechnik, eine früher belächelte aufwendige Form der Rohstoffgewinnung, schlagartig rentabel. Schon gilt die Holzfällernation Kanada vielen als zweites Saudi- Arabien. Auf die Höhe der Ölreserven gemünzt, die im Ahornland im Boden lagern, ist ein solcher Vergleich durchaus berechtigt.
Der Dauerhöchstpreis für den schwarzen Stoff hat Politiker, Unternehmer und Verbraucher entsetzt. Die teure Energie wird zum dominierenden Thema in Talkshows, Vorstandsitzungen, am Stammtisch und in der Tagespresse.
Die Hysterie um das Öl regt die Fantasie an und lässt die Sitten verludern. Immer mehr Autofahrer jammern, offenbar aus dem Gefühl heraus, es gäbe ein Grundrecht auf Billigsprit. Als Rezeptur gegen die Energiekrise kursieren die skurrilsten Vorschläge, der Markt hat reagiert und wittert das große Geschäft, das Opfer der Autofahrer. Jenseits des Absurden hat eine Bitte ins Hirn der energiepreisgeplagten Öffentlichkeit gebrannt: Die Energiewende, der entscheide Schritt weg vom superteuren Öl, muss schneller kommen.
Es ist schon einiges passiert. Der neue Schub wird nicht von ökologischer Romantik getragen, sondern von ökonomischer Einsicht. Die hohen Preise für Öl und Gas, Strom und Benzin machen moderne Technologie und alternative Energie schneller wirtschaftlich, als viele Experten lange Zeit dachten. Energiekonzerne modernisieren ihre Kraftwerke. Ölmultis stecken Geld in unkonventionelle Schürfmethoden und buhlen um die besten Biokraftstoffe. Autohersteller kämpfen um die Poleposition bei umweltfreundlichen Antriebstechniken. Das Thema rollt mit zunehmendem Tempo auf uns zu. An den Kapitalmärkten hat ein Run auf Neuemissionen von Solarfirmen eingesetzt. Der Hype erinnert an die leidige Internetblase der späten 90er Jahre: aber diesmal stecken keine Luftgeschäfte, sondern reale Umsätze und Gewinne hinter der Börseneuphorie.
Endlicht scheint sich auch die Energiegroßmacht USA zu besinnen. Die Hurrikans „Katrina“ und „Rita“ haben den Klimaschutz im Ölverschleuderland befeuert. Während die Politiker noch halbherzig ans Energiesparen appellieren, investieren Amerikas Großkonzerne bereits zig Milliarden, um im weltweiten Geschäft nicht ins Hintertreffen zu geraten, nach der Devise: Grüne Energie gegen grüne Dollars.
China- Boom, Indien- Express, Brasilien- Blüte: Bis 2030wird sich der weltweite Energiebedarf nahezu verdoppeln. Die Nachfrage kann mit herkömmlichen Methoden und Brennstoffen kaum noch gedeckt werden und wenn, dann nur zu astronomischen Preisen und bei dramatischen Folgen für das Weltklima. Lange Zeit wurden diese Zusammenhänge ausgeblendet. Die Industrienationen wähnten sich in trügerischer Versorgungssicherheit. Politik und Wirtschaft haben sich am niedrigen Ölpreis die Hände gewärmt. Die 90er wurden total verpennt. Der Weckruf war unüberhörbar: Dumm war nur das sich in Deutschland vor allem die Grünen des Thema bemächtigten. Umweltschutz und Alternative Energie, erzeugten in vielen Konzernetagen eine Art Investitionsallergie. Alternative Energie wurde mit Ideologie gleichgesetzt. Dass sich am Horizont Riesengeschäfte abzeichneten, erkannten viele Unternehmen in ihrer Abstoßreaktion reichlich spät. Nun hat sich eine ernsthafte Dynamik breitgemacht und alle wollen auf dem fahrenden Zug aufspringen.
Ob Offshore- Windanlagen in der irischen See, moderne Gaskraftwerke in Niederbayern, Biokraftstoffe aus Ostsachsen, solare Großanlagen in Kalifornien oder Kugelhaufen- Reaktoren in Südafrika in vielen modernen Energietechniken stecken deutsche Patente oder Entwicklungen. Deutsche Subventionen natürlich auch. Im vergangenen Jahr brachte der hiesige Stromkunde über diverse Fördergesetze ca. 3,4 Milliarden Euro für Sonne, Wind und Co. auf. Falls die deutschen Fördertöpfe demnächst kleiner ausfallen sollten, werden immer mehr Firmen ihren staatlich alimentierten Technologievorsprung im Ausland versilbern. Der Weltmarkt verspricht in den nächsten Jahren ein stürmisches Wachstum: 30 Prozent per annum bei Solaranlagen, rund 15 Prozent bei Windkraftwerken.
Die Spanier imitieren den teuren deutschen Förderweg, bis 2010 will die Regierung mit Hilfe der Industrie 23,6 Milliarden Euro in erneuerbare Energie investieren. Großbritannien entwickelt sich zu Europas führendem Standort für Offshore- Anlagen. China und Indien haben umfangreiche Förderprogramme für alternative Technologie aufgelegt. Und die Schweden wollen bis 2030 gar komplett aus der Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen aussteigen.
Der neue Treibstoff der die Welt revolutionieren könnte. Aus jeder Art von Biomasse wie Holz, Stroh oder Klärschlamm entsteht Koks, der anschließend in Synthesegas umgewandelt wird: daraus entsteht in einem weiteren Schritt Diesel. Das Kalkül einiger Investoren und Energiekonzernen: Mit großflächigem Anbau von Energiepflanzen, ließe sich mehr Geld verdienen als mit Milchkühen oder Gewächshäusern. Es geht umeinen 100 Milliarden Markt allein in Europa. Die Zeit für Einzellkämpfer, die alternative Energietechnologien fast im Alleingang anschoben, schneit abgelaufen. Die Großen übernehmen die Regie. Sie ringen um die interessantesten Projekte und die vielversprechendsten Start- up- Firmen. Der Weltmarkt ist heiß gelaufen. Immer neue Spieler mischen mit auf einem der spannendsten Märkte der Zukunft. Große schlucken kleine, so ist nun einmal der Weltlauf der Ökonomie.
Wen wundert’s, wenn die großen Energiekonzerne ihre Chance erkennen und Atom- und Wind- Energie als den Inbegriff des Energiekonsenses in allen Medien ständig anpreisen.