Seit 30 Jahren sucht die Nagra, die mit der Endlagerung beauftragte Institution, nach einem Standort für ein Lager für radioaktive Abfälle. Bislang ohne Erfolg. Experten streiten sich, ob eine sichere Endlagerung möglich ist.
Einigkeit besteht: Das der radioaktive Abfall, den die bereits in Betrieb stehenden Schweizer Atomkraftwerke produziert haben, in geeigneter Form in einem Endlager gelagert werden muss.
Die Nagra hat den Nachweis erbracht, dass es in der Schweiz möglich ist, radioaktive Abfälle sicher zu lagern. Daraufhin hat der Bundesrat das entsprechende Konzept nach umfangreicher Prüfung im Jahr 2006 abgesegnet. Auf viele technische Fragen hat die Nagra bis heute keine befriedigende Antwort gefunden.
Der strahlende Abfall
Durch die Kernspaltung im Atomreaktor werden hohe Mengen an Energie frei. Doch der Nachteil dieses Prozesses besteht darin, dass neue Stoffe entstehen, die radioaktiv sind.
Auf der anderen Seite hat die Radioaktivität die Eigenschaft, dass sie sich relativ einfach abschirmen lässt. Eine dicke Betonwand oder ein paar Meter Wasser reichen, um die tödliche Strahlung abzuschirmen.
Aufwind für die Nagra
Schon seit über 30 Jahren ist die Nagra, die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, daran, einen Standort für ein Tiefenlager zu suchen. Bislang ohne Erfolg. Doch derzeit sind die Nagra- Exponenten der Meinung, dass sie dem Ziel ihrer Sisyphusarbeit ein großes Stück näher gerückt sind: Denn das Parlament hat den Standortregionen das Vetorecht aus der Hand genommen. Und der Bundesrat hat den Entsorgungsnachweis abgenommen. Derzeit läuft nun die Evaluation der Standorte.
Die Nagra will sogenannte Tiefenlager bauen. Eines für hoch radioaktive Abfälle, eines für schwach und mittelaktive Abfälle. Wird in der Schweiz je ein neues AKW gebaut, bräuchte es zusätzliche Kapazitäten. Die Nagra rechnet mit Forschungs- und Realisierungskosten von sechs Milliarden Franken für zwei Tiefenlager. Die Betreiber der AKW haben dafür diverse Fonds angehäuft. Steigen die Kosten, müssen die AKW-Betreiber die Zusatzkosten übernehmen.
Das Lager wird für einen Zeitraum gebaut, der das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt: Zwar wird die Strahlungsintensität nach tausend Jahren nur einen Bruchteil derjenigen bei der Einlagerung betragen. Doch es dauert rund 200.000 Jahre, bis die Strahlung Werte erreicht, wie sie bei Natururan vorkommen.
Die Nagra ist der Ansicht, dass sie tief im Untergrund ein Gestein gefunden hat, das sich ideal für die Lagerung von radioaktiven Abfällen eignet. Es handelt sich dabei um Opalinuston, eine Gesteinsschicht, die vor 180 Millionen Jahren aus Schlammablagerungen entstanden ist. Heute liegt diese Schicht rund 600 Meter tief unter der Erdoberfläche. Der Opalinuston hat die Eigenschaft, dass er aufquillt, wenn Wasser in das Gestein gelangt. Öffnet sich im Gestein ein Spalt und entsteht ein Wasserlauf, so schließt sich dieser Riss innerhalb von wenigen Jahren wieder. Dies ist deshalb so wichtig, weil Wasser der größte Feind eines Tiefenlagers ist. Gelangt Wasser hinein und findet es auch wieder den Weg hinaus, dann besteht die Gefahr einer radioaktiven Kontamination.
Umweltwissenschaftler glauben indes nicht daran, dass der Opalinuston eine sichere Endlagerung ermöglicht: Nach wie vor sind sehr viele Fragen offen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, wie sich die umliegende Geologie verändert, wenn dort Stollen hineingebaut werden? Jedes Loch bedeutet die Gefahr, dass sich die Gesteinsschichten nicht so verhalten, wie es ohne eine solche Narbe der Fall wäre.
Problem Gasbildung
Völlig unklar sei auch die Frage der Gasentwicklung: Durch die Korrosion der Behälter oder den Abbau von organischem Material entsteht Gas. Und schon wenig Gas kann in einem geschlossenen System die Druckverhältnisse und damit die Geologie verändern.
Ein weiterer strittiger Punkt ist die Frage, aus welchem Material die Behälter sein sollen, in welche die hochradioaktiven Abfälle eingeschlossen werden. Im Entsorgungsnachweis sieht die Nagra vor, dass Stahlbehälter verwendet werden. Doch Stahl rostet bekanntlich. Kupfer rostet ebenfalls, wenn auch weniger. Keramik ist nicht standhaft genug. Die Frage ist, ob es ein geeignetes Material dafür gibt?
Ein Stahlbehälter hat laut Nagra eine Lebensdauer von 10.000 Jahren, ein Kupferbehälter hält um ein Vielfaches länger.
Neben den rein technischen Aspekten gibt es grundsätzliche Fragen zum Vorgehen, die kontrovers sind: Das Gesetz verlangt beispielsweise von der Nagra, dass sie die Abfälle zurückholen kann, bis das Lager geschlossen wird. Die Politik kann entscheiden, ob sie das Lager 50 oder 200 Jahre, nachdem der letzte Abfall eingelagert worden ist, schließen will.
Das Konzept sieht vor, dass nach dem Verschluss des Tiefenlagers alle Anlagen an der Oberfläche zurückgebaut und alle Zugänge aufgefüllt werden. Von außen soll von einem Zwischenlager nichts mehr zu sehen sein. Hier setzt nun die Kritik der Umweltwissenschaftler an: Die Nagra strebt an, dass das Endlager möglichst rasch vergessen wird. Es ist gefährlich, wenn spätere Generationen in den Untergrund bohren, zum Beispiel bei der Suche nach Erdwärme. Der Gesetzgeber schreibe vor, dass der Standort eines Tiefenlagers markiert wird. Die Unterlagen werden im Bundesarchiv und in einem internationalen Archiv gelagert. Man hofft, dass die Dokumente noch in über 1000 Jahren verstanden werden. Entscheidend ist, dass Tiefenlager so Gebaut werden, dass ihre Sicherheit sichergestellt ist, auch dann, wenn sich künftige Generationen nicht darum kümmerten.
Die Standortfrage für Atommülllager wird man Politisch herbeiführen. So auch in der BRD.