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You Are Here: Home » Allgemein, Die Umwelt » Arktische Tiefsee verkommt zur Müllhalde

müll2Selbst die entferntesten Winkel der Erde leiden inzwischen unter dem Müll der menschlichen Zivilisation. Wissenschafter haben bei aktuellen Untersuchungen unerwartet große Mengen an Abfall und Plastikresten in der arktischen Tiefsee entdeckt. Das Müllaufkommen rund um das AWI-Tiefsee-Observatorium ähnelt inzwischen jenen Mengen, die in Tiefseegräben in der Nähe der portugiesischen Metropole Lissabon gefunden wurden.

Für die Studie, untersuchten die Forscher rund 2.100 Fotoaufnahmen aus den Jahren 2002, 2004, 2007 und 2008 systematisch nach Müll vom Meeresboden, in der östlichen Framstraße, dem Seeweg zwischen Grönland und der norwegischen Insel Spitzbergen.

Die Tiefsee-Forscher setzen bei Polarstern-Expeditionen regelmäßig ihr ferngesteuertes Kamera-System OFOS (Ocean Floor Observation System) ein. An der zentralen Station schwebt es in einer Wassertiefe von 2.500 Metern etwa 1,5 Meter über dem Meeresgrund und macht etwa alle 30 Sekunden eine Aufnahme vom Boden. Seine Aufnahmen dienen den Tiefseebiologen vor allem dazu, Veränderungen in der Artenvielfalt von größeren Tiefseebewohnern wie Seegurken, Seelilien, Schwämmen, Fischen und Garnelen zu dokumentieren. Sie lieferten Belege für die zunehmende Verschmutzung der Tiefsee. Auf Aufnahmen aus dem Jahre 2002 finden man einen Prozent Müllreste, in erster Linie Plastik. Bei den Bildern aus dem Jahr 2011 waren es schon zwei Prozent. Die Müllmenge am Meeresgrund hat sich also verdoppelt.

Das Ergebnis zwei Prozent mag im ersten Moment wenig Aufsehen erregen. Wie groß das wahre Ausmaß der Verschmutzung in der arktischen Tiefsee jedoch ist, zeigt ein Vergleich: Der Arktische Ozean und vor allem seine Tiefseegebiete galten lange Zeit als entlegene, nahezu unberührte Regionen der Erde. Die Ergebnisse belegen nun aber, dass in Tiefsee inzwischen genauso viel Plastikmüll auf den Grund des Ozeans gesunken ist, wie zum Beispiel in einem Meeresgraben nicht weit entfernt von der portugiesischen Metropole Lissabon. Und dabei sei noch zu bedenken, dass sich in Tiefseegräben nach aktuellem Forschungsstand mehr Plastikabfall ansammele als an Hängen.

Woher die Müllstücke stammen, kann mithilfe der Fotos nicht bestimmt werden. Man vermutet jedoch, dass der Rückgang des arktischen Meereises in dieser Frage eine entscheidende Rolle spielt. Die arktische Meereisdecke wirkt wie eine Barriere. Sie verhindert, dass Wind Müll vom Land aus ins Meer weht und versperrt den meisten Schiffen den Weg. Seitdem die Eisdecke jedoch regelmäßig schrumpft und dünner wird, hat der Schiffsverkehr stark zugenommen. Die Fischereischifffahrt hat in dieser Region um 36 Prozent zugenommen. Müllzählungen an Stränden Spitzbergens hätten zudem ergeben, dass der dort angespülte Abfall hauptsächlich von Hochseefischern stamme.

Die Leidtragenden dieser zunehmenden Verschmutzung sind vor allem die Tiefsee-Bewohner. 70 Prozent der entdeckten Plastikreste waren auf irgendeine Weise mit Tiefsee-Organismen in Kontakt gekommen. So fanden sich Plastiktüten, die sich in Schwämmen verfangen hatten, oder Kartonstücke, die von Seelilien bewachsen war, sowie Flaschen auf den sich ebenfalls Seelilie angesiedelt hatten.

Kommen Schwämme oder andere Suspensionsfresser mit Plastik in Berührung, zieht dies Verletzungen auf ihren Körperoberfläche nach sich. Die Folge ist: Die Bodenbewohner können weniger Nahrungspartikel aufnehmen, wachsen deshalb langsamer und vermehren sich seltener. Zudem enthält Plastik auch immer chemische Zusatzstoffe, die auf ganz unterschiedliche Weise toxisch wirken. Aus anderen Untersuchungen weißen wir, dass Plastiktüten, die auf den Meeresboden sinken, die Gas-Austauschprozesse an dieser Stelle verändern. Der Sediment-Boden wird dann zur sauerstoffarmen Zone, in der nur wenige Organismen überleben. Andere Lebewesen wiederum nutzten den Müll als Hartsubstrat und Fundament. Auf diese Weise können sich Arten ansiedeln, die vorher kaum geeignete Lebensbedingungen vorgefunden hätten. Das heißt: Der Abfall könnte langfristig die Artenzusammensetzung in der Tiefsee verändern.

Im Fokus rückt derzeit die Frage nach der Belastung der Tiefsee durch sogenannte Mikroplastik-Partikel. Erstmals wurden Proben genommen und auf winzigen Plastikteilchen untersuchten, die an der Wasseroberfläche trieben. Plastikteile, die in die Tiefsee hinabsinken, zerfallen nicht so schnell in Mikropartikel wie es zum Beispiel am Nordseestrand der Fall ist. Dazu fehlen in 2500 Metern Tiefe sowohl das Sonnenlicht als auch die stärkere Wasserbewegung. Stattdessen ist es dort unten dunkel und kalt. Unter diesen Bedingungen kann Plastikabfall wahrscheinlich Jahrhunderte überdauern.

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