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Neuerdings lohnt es sich, Benzin aus Kohle zu machen – ökologisch ist es eine große Sauerei
Kohlekraftwerk

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Es klingt wie ein Supersonderangebot: Treibstoff für 30 bis 40 Dollar das Barrel. Beim derzeitigen Ölpreis erscheint so ein Preis als Wunschdenken. Doch in der Inneren Mongolei baut China zurzeit ein Werk, das von 2009 an zu diesen Kosten pro Tag 20 000 Barrel zu 159 Liter Kraftstoff herstellen soll. Machbarkeitsstudien für eine auf 800 000 Barrel ausgelegte Anlage in der Provinz Shaanxi sind in Auftrag gegeben. Besonders dabei: Für die Produktion wird nicht ein Tropfen Erdöl benötigt. Zwei in Deutschland entwickelte Verfahren zur Treibstoffgewinnung aus Kohlemachen es möglich. Matthias Haenel vom Max- Planck- Institut für Kohleforschung in Mülheim an der Ruhr ist sich sicher, dass die so genannte Kohleverflüssigung kommt. „Bei einem dauerhaften hohen Ölpreis kommen Sie da nicht mehr drum herum“, sagt der Wissenschaftler. Für die Erzeugung von Brennstoff aus <<kohle (Coal-to-Liquid-Verfahren, Ctl) gibt es ein direktes Verfahren, die Bergius- Pier- Methode, die aus weichen Kohlensorten wie Braunkohle Benzin macht. Daneben kennt die Technik eine indirekte Methode, die Fischer- Tropsch- Synthese, die eher Diesel erzeugt. Der Zweck ist in beiden Fällen, die Kohle mit zusätzlichem Wasserstoff anzureichern, so dass Flüssigkeiten entstehen.

Das direkte Verfahren ist effizienter, weil es mit niedrigeren Temperaturen auskommt. Gemahlene Kohle wird in einem Lösungsmittel bei 450 Grad Celsius, unter hohen Druck und mit einem Katalysator (einem Reaktions- Beschleuniger, der sich nicht verbraucht) zu Kohleöl kondensiert, aus dem dann wie in einer Raffinerie Benzin destilliert  werden kann. Hierfür braucht man aber erdgeschichtlich junge Kohlensorten wie etwa Braunkohle, von der es weltweit weniger gibt.
Bergbau

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Die besser verfügbaren alten Kohlensorten wie Steinkohle werden indirekten Verfahren bei über 900 Grad verarbeitet, wobei Synthesegas entsteht, ein Gemisch aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H²). Die eigentliche Fischer- Tropsch- Synthese erfolgt dann nach einer Gasreinigung und dem Zusatz von Katalysatoren. Unter Druck lagert sich bei 200 bis 300 Grad der Wasserstoff an das Kohlenmonoxid an. Es entstehen Kohlenwasserstoffe, aus denen sich alle wichtigen Ölprodukte gewinnen lassen.
Aber nicht nur die Verfügbarkeit von Hartkohlensorten macht Fischer- Tropsch zur interessanteren Technik. Die Produkte sind nahezu frei von Schwefel- oder Stickstoffverbindungen und weisen hohe Oktanzahlen auf. Man benutzt die Methode daher auch, um in einem Gas- to- Liquid- Verfahren (GtL) Treibstoff aus Erdgas und Biomasse zu gewinnen.

Für viele Industrieländer scheint diese Art von Kohlenutzung große Vorteile zu bieten. Die Vorräte des Energierohstoffs sind riesig und gleichmäßig in der Erdkruste verteilt. Der Umstieg würde die Abhängigkeit von politisch instabilen Staaten und Regionen reduzieren. Schon in 20 Jahren dürfte es nicht mehr genug Öl geben, um den Bedarf zu decken. Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) reichen die Kohlereserven beim derzeitigen Verbrauch weit über hundert Jahre. Zudem sind bei den festen Energierohstoffen noch größere Neufunde zu erwarten, bei Öl nicht.
Autos

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Seit ihrer Entwicklung dient die Kohleverflüssigung dazu, Ölmangel auszugleichen. 1913 entwickelte Friedrich Bergius sein Verfahren, das dann von Matthias Pier zur großtechnischen Reife gebracht wurde. Nach der 1925 von Franz Fischer und Hans Tropsch entdeckte Methode erzeugte die Ruhrchemie AG von 1934 an Kraftstoff. In dem erdölarmen aber kohlenreichen Deutschland entstanden  eilig Synthesenanlagen, die ersten in Leuna und Ruhlad- Schwarzheide, weitere folgten. 1939 gab es hierzulande sieben so genannte Hydrierwerke, 1944 schon fünfzehn. Die Bombardierungen der Anlagen von 1944 an läutete das Ende des Krieges ein.

Kohle- Benzin wurde in Deutschland erst wieder nach dem Ölpreis- Schock in den 1970er Jahren hergestellt. Aber die Anlage in Bottrop wurde bald unrentabel und im Jahr 2000 verschrottet. Ein weiteres Werk in Essen haben Chinesen 2004 gekauft und demontiert. Kontinuierlich genutzt hat die Technik nur Südafrika. Unter dem Embargo wegen der Rassentrennung Apartheid stellte das Land ab 1955 synthetischen Treibstoff nach Fischer- Tropsch großindustriell her. Ein Drittel des südafrikanischen Verbrauchs wird noch heute so gedeckt. Gegenwärtig verflüssigt der Betreiber der Anlagen, Sasol, in zwei Werken pro Jahr 45 Millionen Tonnen Kohle zu 58 Millionen Barrel Kraftstoff zu einem Barrepreis von 25 Dollar.
CO ²

CO ²

Derzeit entstehen nicht nur in China neue Anlagen. Auch im australischen Latrobe Valley, sollen aus jährlich bis zu 30 Millionen Tonnen Kohle vorsichtig geschätzt 25 Millionen Barrel Kraftstoff werden. Und auch die USA entdecken ihre riesigen, billig zu fördernden Kohlevorräte neu: Neben 5000 Barrel Treibstoff pro Tag soll hier demnächst eine Anlage Strom erzeugen. In Deutschland dürfte es aber kaum neue Produktionsstätten geben, obwohl es mit einem Anteil von 18,2 Prozent an der Braunkohle- Förderung weltweiter Spitzenreiter ist. „Das ist alles für die Verstromung vorgesehen“.

Ohnehin könnte der Umstieg verheerend für die Umwelt sein: „Nur etwa die Hälfte der Kohlenstoffatome des Ausgangsmaterials befindet sich am Ende des Syntheseprozesses in dem Produkt. Die andere Hälfte verbindet sich sofort mit Sauerstoff zu Kohlendioxid“, erklärt der Max- Planck- Forscher. Ein Liter Synthesebenzin ist in Produktion und Verbrauch daher doppelt so klimaschädlich wie herkömmlicher Treibstoff. „Die Kohleverflüssigung ist vielleicht wirtschaftlich, aber energetisch ist sie unsinnig“, sagt daher Georg  Schaub von der Universität Karlsruhe. Der Ingenieur glaubt nicht, dass der Umstieg kommt. Riesige Investitionen seien nötig, um Anlagen zu bauen, die dann auch noch 30Jahre lang rentabel laufen müssen. Durch den globalen Emissionshandel könnte der Ausstoß von CO² aber so teuer werden, dass die Kohleverflüssigung unwirtschaftlich würde. „Wir werden die rund zwei Milliarden Tonnen Kraftstoff, die weltweit pro Jahr verbraucht werden, ohnehin niemals allein aus Kohle gewinnen können“.
Für das CO²- Problem sieht Mattias Haenel, ein Befürworter der Technik, eine Lösung: „Man muss das Gas abscheiden und deponieren“. Diese Technik ist noch relativ unerforscht, gerade Stromkonzerne erproben sie zurzeit intensiv, um Kohle weiternutzen zu können. Laut einer Studie könnte eine andere Lösung sein, abgeschiedenes Kohlendioxid mit Strom aus Solaranlagen in Kohlenmonoxid umzuwandeln und anschließend wieder in einen Fischer- Tropsch- Prozess zu speisen. Am Ende wäre in beiden Fällen freilich nur erreicht, dass Synthese- Sprit genauso auf das Klima schlägt wie der herkömliche.

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