Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Diesem Bonmot zum Trotz, das wahlweise Mark Twain, Winston Churchill, Niels Bohr und Karl Valentin zugeschrieben wird, möchten die meisten Menschen wissen, was ihnen bevorsteht. Zum Beispiel, wenn der Klimawandel in diesem Jahrhundert Deutschland erfasst.
Aussagen dazu bietet ein Report an, den das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht hat. Auf 159 Seiten stellen Forscher um Daniel Jacob vom Max- Plank- Institut für Meteorologie dar, wie das regionale Klimamodell „Remo“ das Klima in verschiednen Regionen Deutschland und zu verschiedenen Jahreszeiten zur Mitte und zum Ende dieses Jahrhunderts sieht. Im Mittel dürfte sich das Land demnach um 2,5 bis 3,5 Grad Celsius erwärmen. Besonders stark steigen die Temperaturen demnach im Winter im Süden Deutschlands. Im Jahr 2100 könnte es dort um mehr als vier Grad wärmer sein als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990. Im Süden und Nordosten verschieben sich auch die Niederschlagsmengen am deutlichsten, nehmen im Sommer um bis zu 30 Prozent ab, im Winter dafür um ein Drittel zu. Für Wintersportler wie Garmisch- Partenkirchen oder Mittenwald, so der Bericht, könnte die Zahl der Schneetage „um deutlich mehr als die Hälfte“ abnehmen.
EicheWirklich neu sind diese Zahlen aber nicht. Daniel Jacob ist daher auch einigermaßen erstaunt über die Aufmerksamkeit, die ihrer Arbeit plötzlich gilt. „Die Zahlen haben sich seit einem Zwischenbericht 2006 nicht verändert, wir haben nur einige Details genauer analysiert und die Angaben für die Mitte des Jahrhunderts nachgeliefert“. Neue Modellberechnungen gebe es jedenfalls nicht; der Abschlussbericht sei bereits seit vergangenen Oktober fertig und auf Konferenzen verteilt worden. Nur hat ein Onlinedienst darüber berichtet. Weder Jacobs Institut noch dem UBA war der Report aber eine geeignete Presseerklärung wert.
Für „Remo“ haben die Forscher aus Hamburg ein Raster von zehn mal zehn Kilometer über Deutschland gestülpt. Wo sich zwei Zellen berühren, hat ein Supercomputer für alle Stunden bis 2100 mehrfach die Weiterentwicklung von meteorologischen Parametern berechnet. Angetrieben und immer wieder abgeglichen wurde das Ganze mit globalen Klimamodellen, die mit viel größeren Rastern die Entwicklung der ganzen Welt simulieren. Das Hamburger Modell kann die lokalen Einzelheiten genauer aufnehmen; in den globalen Modellen schrumpfen zum Beispiel die Alpen zur Einheitshöhe von 800 Meter.
Das Frühjahr macht bei der Erwärmung zunächst nicht mit
Das Frühjahr macht bei der Erwärmung zunächst nicht mit
Alpen„Remo“ ist nicht das einzige Modell, das den detaillierten Blick in die Zukunft versuchet, sondern eines von vieren mit sehr unterschiedlicher Machart. „Es ist sinnvoll, mehr als ein Modell zu vergleichen“, sagt Paul Becker vom Deutschen Wetterdienst (DWD), der im vergangenen April einen solchen Vergleich vorgelegt hat. „So bekommt jemand, der mit den Daten planen will, einen Eindruck, wie groß die Unsicherheiten der Vorhersagen noch sind“. Etwas weniger diplomatisch sagte es Friedrich- Wilhelm Gerstengarbe von Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung. „Besonders bei den räumlichen Aussagen sind die Unterschiede so groß, dass ein potentieller Anwender, der eine Planung machen möchte, nichts damit anfangen kann“. Speziell das Modell „Remo“ hielt viele in Forscherkreisen für weniger geeignet, Vorhersagen für die Zukunft abzugeben.
Die DWD- Forscher um Becker haben bei ihrem Vergleichen neutral die Bandbreite aufgezeichnet, die zwischen den Aussagen der Modelle bestehen. Dabei herrschte bei Temperaturen größere Einigkeit als den Niederschlägen. „Besonders da gab es große räumliche und zeitliche Abweichungen“, sagte Becker. So besagten die Modelle zum Beispiel übereinstimmend, dass in Süddeutschland bis 2100 die Zahl der heißen Tage zunimmt, an denen es 30 Grad oder wärmer wird- und zwar um zwölf bis 30 Tage. Dagegen halten die Modelle in einem Fall Veränderungen bei den Niederschlägen von plus 15 bis minus 25 Prozent für möglich; das betrifft Teile von Sachsen- Anhalt im Sommer 2050.
UrwaldDass es in dem Modell Probleme mit den Niederschlägen gibt, räumt auch Daniel Jacob ein. Schon die globalen Modelle erlaubten nur unpräzise Aussagen. Der Forscher geben daher nur Veränderungen in Prozentwerten an, und liefern nicht die absolute Zahl verregneter Tage.
Große Veränderungen bei den Stürmen lässt „Remo“ zudem nicht erkennen, sagt Jacob. „Die Windmuster verändern sich gegenüber dem Vergleichszeitraum nicht sehr“. Lediglich im Frühjahr könnte der Wind eine Spur weiter nach nord drehen. So lässt sich vielleicht erklären, warum der Frühling die Erwärmung am wenigsten mitmacht. Weiterhin kommt der Wind aber vorherrschend aus Westen und bringt damit Luft vom Atlantik nach Deutschland. Darunter sind nicht unbedingt mehr Stürme als bisher, aber „welche Folgen ein Orkan hat, hängt nicht nur von einem Parameter ab“, sagt Jacob. Wenn der Boden von Dauerregen im Winteraufgeweicht sei, könnte der Sturm mehr Bäume umknicken als bei starkem Frost. „Es ist plausibel, dass diese Kombination in Zukunft häufiger auftritt“, sagt Jacob, „wir versuchen noch auszurechnen, um wie viel häufiger“.