
Meer
Bei dem Treffen ging es um Wasser, das es noch gar nicht gibt. In einem der teuersten Hotels der Welt empfing am 17. Dezember 2007 der Vorsitzende der Wasserbehörde des Emirats Abu Dhabi Vertreter von Energieversorgungsunternehmen aus Großbritannien und Japan. Während draußen die Wellen des Persischen Golfs den Strand von Abu Dhabi überspülten, verpflichtete sich die staatliche Wasserbehörde ADWEA (Abu Dhabi Water & Electricity Authority), täglich 591 Millionen Liter Trinkwasser von den angereisten Investoren zu kaufen für die nächsten 20 Jahren. Das Wasser soll aus einer Meerwasserentsalzungsanlage gewonnen werden, die im Sommer 2010 in Betrieb geht.
Bis vor etwa 20 Jahren hätte sich der Bau einer solchen Anlage kaum gelohnt, lange Zeit verbrauchte Meerwasserentsalzung so viel Energie, dass sie fast nur auf Luxusyachten und in U- Booten zum Einsatz kam, zur Trinkwasserversorgung der Besatzung. Mittlerweile sind Preis und Energieverbrauch so stark gesunken, dass die Meerwasseraufbereitung zu einem einträglichen Geschäft für die Industrie geworden ist. Tag für Tag produzieren weltweit mehr als 13 000 Entsalzungsanlegen fast 50 Milliarden Liter Trinkwasser. Das würde reichen, um die Hälfte der EU- Bürger zu versorgen. Ganze Städte und Länder beziehen ihr Trinkwasser heute aus dem Meer, in manchen Regionen würde die Wasserversorgung ohne Entsalzungsanlagen zusammenbrechen.
Tankerladungen aus Marseille

Entsalzung
„Seit den Anfängen in den 1960er Jahren verbessert sich die Technologie kontinuierlich“, sagt Mertes, Vorsitzender des Deutschen Meerwasserentsalzungsvereins DME. Dabei ist das Prinzip des damals entwickelten Verdampfungsverfahrens heute noch weit verbreitet. Mit Hitze wird Salzwasser zum Verdampfen gebracht und das Destillat aufgefangen. Das klingt simpel, doch der Energieaufwand für die nötige Wärme ist enorm. Sinnvoll ist es meist nur, wenn bei industriellen Prozessen ohnehin Wärme abfällt, beispielsweise bei Kraftwerken oder beim Stahlkochen.
Fehlt eine solche Wärmequelle, nutzen die Anlagen mittlerweile überwiegend ein anderes Verfahren: die Umkehrosmose. Sie gilt als energiesparender und moderner, weil das Wasser zur Entsalzung nicht erhitzt werden muss. Unter hohem Druck wird es durch eine durchlässige Membran gepresst und dabei fast zu 100 Prozent entsalzt. Die Membran funktioniert wie ein Sieb, ihre Poren sind 500 000 Mal so fein wie ein Menschenhaar und zwar durchlässig für die Wassermolekühle, nicht aber für die darin gelösten Salze- Ionen. Die meiste Energie wird dabei für die Pumpen benötigt.
Woher der Strom für den Betrieb der Anlagen kommt, spielt dabei keine Rolle. In Griechenland etwa stehen Entwickler kurz davor, schwimmende, mit Windkraft betriebene Meerwasserentsalzungsanlagen in Betrieb zu nehmen. Sie sollen kleiner ägäische Inseln dauerhaft versorgen, die heute noch im Sommer mit Tankerladungen voll Wasser beliefert werden müssen.

Schlagge
Einen ganz neuen Ansatz zur Entsalzung von Meerwasser haben kürzlich Siemens- Forscher entwickelt. Ihr Elektro- Deionisation genanntes Verfahren arbeitet ebenfalls mit einer Membran. Im Gegensatz zur Umkehrosmose wird aber nicht das Wasser durch die Membran gepresst, sondern das Salz. Unter der Wirkung eines elektrischen Feldes passieren die geladenen Salzteilchen die Poren der Kunststoff- Barriere und zurück bleibt salzarmes Trinkwasser.
„Unsere Methode unterbietet den Stromverbrauch modernster Umkehrosmoseverfahren um die Hälfte“, sagt Ingenieur Rüdiger Knauf, der von Singapur aus die weltweite Forschung von Siemens im Bereich Wassertechnologie leitet. „Für 1.000 Liter Wasser benötigen wir nur etwa 1,5 Kilowattstunden“. Das ist zwar immer noch viel mehr Strom als beispielsweise bei der Grundwassergewinnung notwendig ist. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie Entsalzungsexperten finden. Letztlich soll die Aufbereitung von Meerwasser beim Stromverbrauch und den Kosten mit anderen Methoden der Trinkwasseraufbereitung mithalten können. „In Zukunft könnte sich die Meerwasserentsalzung als Schlüsseltechnologie erweisen“, sagt Knauf. „Durch achtlosen Verbrauch und versiegende Quellen wird Wasser immer knapper“. Es sei absehbar, dass die Frage der Trinkwasserversorgung „grundsätzlich neu gestellt werden“ müsse.
Mehr als eine Milliarde Menschen haben heute keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, besonders Afrika und Asien leiden unter Wasserknappheit. Und längst ist der Trinkwassermangel auch in Europa angekommen. Im Frühjahr dieses Jahres versiegten in Barcelona die Wasserspiele wegen akuter Knappheit. Auch der Brunnen vor der Kathedrale Sagrada Familia wurde stillgelegt; über das Mittelmeer mussten riesige Tanker aus Marseille frisches Wasser bringen. Mittlerweile hat auch die katalanische Küstenstadt mit dem Bau einer Entsalzungsanlage begonnen.

Wasser
Wie ein Bremsklotz auf die Technikbegeisterung wirkt allerdings eine Studie der Umweltstiftung WWF aus dem vergangenen Jahr. Sie kommt zu dem Schluss, dass Meerwasserentsalzung auf Dauer keine geeignete Lösung des Wasserproblems sei. Der Energieverbrauch sei zu hoch, außerdem verändere sich der Salzgehalt des Meeres in den Küstenbereichen durch die zurückgeleitete Sole. Das habe negative Folgen für Fischbestände, Korallen und Wasserpflanzen.
Viele Vertreter von Wasserversorgungsunternehmen tun diese Vorwürfe als unberechtigt ab: Nach ein paar Metern sei das Salzkonzentrat im Meer nicht mehr nachweisbar. WWF- Wasserexperte Martin Geiger stimmt im Prinzip zu. Das sei aber nur der Fall, wenn die Sole weit vom Land entfernt ins Meer geleitet wird, schränkt er ein. Häufig aber gelange sie direkt an der Küste ins Wasser und das habe sehr wohl Folgen für die Umwelt. Laut Geiger ist die Ableitung zudem nur ein Teil des Problems. „Auch das Grundwasser wird angezapft, die Strömungen in der Nähe der Küste verändern sich“, so Geiger. „Wirkt alles zusammen, kann das möglicherweise verheerende Schäden ausrichten“.
Kraftwerk für die Wasserfabrik
Für solche Bedenken aber ist es in manchen Regionen inzwischen längst zu spät. Die öffentliche Wasserversorgung Saudi Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate wird bereits fast zu100 Prozent durch Meerwasserentsalzung gedeckt. Wie Perlen einer Kette reihen sich in einzelnen Küstenabschnitten die Anlagen aneinander. Trotzdem laufen viele Staaten im Nahen Osten dem schnellen Fortschritt bei der Wasserentsalzung hinterher. Wenn eine Anlage nach mehrjähriger Bauzeit in Betrieb genommen wird, ist sie häufig schon veraltet.
Um möglichst viel Wasser zu gewinnen, stellt man mittlerweile meist Anlagen der so genannten KO- Generation auf: Zu dem Entsalzungsfabriken werden gleich Kraftwerke gebaut, die genügend Energie für Entsalzung liefern. In Japan etwa produzieren acht Nuklearreaktoren fast ausschließlich Energie und Wärme für die Trinkwasseraufbereitung aus dem Meer.
Mit Hilfe solcher Anlagen könnte theoretisch jede Küstenregion ihre Wasserprobleme mindern, sagt Claus Mertes vom Lobbyverein DME. Je nach Technik aber kosten 1 000 Liter Trinkwasser noch zwischen 60 und 80 Cent. Brunnen zu bohren und zu filtern, ist nur halb so teuer. Mertes vermutet jedoch, dass sich die Preise weiter annähern: „Es dauert nicht mehr lange, bis auch in Deutschland Meerwasserentsalzungsanlagen gebaut werden“.