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You Are Here: Home » Allgemein, Die tun nichts » In der Tiefe lösen sich die Riffe auf

Korallenriffe gehören zu den schönsten und artenreichen Ökosystemen der Erde. Als dreidimensionale Gefüge mit Nischen und Höhlen bieten sie einer Vielzahl von Organismen privilegierte Lebens- und Rückzugsorte im weiten Ozean. Sowohl die bunten Riffe im tropischen Flachwasser wie auch die Kolonien der Kaltwasserkorallen, die man noch  in mehr als 2.000 Metern Tiefe finden kann, sind für viel Meerestiere Hochzeitszimmer und Kinderstube zugleich. Und nicht zuletzt bieten tropische Riffe auch dem Menschen Schutz. Als Barrieren gegen Wirbelstürme und Tsunamis.

Gleichzeitig gelten Korallen seit Jahrzehnten als ebenso sensible wie gefährdete Indikatoren für zwei verknüpfte Probleme. Die Erwärmung und die Versauerung der Ozeane. Erstere ist insbesondere bei tropischen Korallen schon lange spürbar, denn die Nesseltiere gedeihen nur in einem engen Temperatur Fenster. Je nach Art darf das Wasser nicht kälter als 20 und nicht wärmer als 29 bis 33 Grad sein, deshalb findet man Warmwasserkorallen generell nur in einem schmalen Gürtel entlang des Äquator, während Kaltwasserkorallen nahezu weltweit vorkommen.

Erwärmt sich das Wasser auf eine Temperatur oberhalb des Grenzwertes, kommt es zu den sogenannten Korallenbleichen. Die überhitzten Korallen entledigen sich jener Mikroalgen, welche mit ihnen im Symbiose leben und sie nicht nur mit Nahrung versorgen, sondern ihnen tatsächlich auch ihre bunten Farben verleihen. Warum endet diese Symbiose jenseits der 30 Grad? Es liegt vermutlich daran, dass bei höheren Temperaturen die Photosynthese gestört ist und vermehrt Sauerstoffradikale freigesetzt werden. Die die Zellen der Korallen schädigen.

Für die Korallen beginnt mit der Erwärmung also eine schwere Zeit: Nun müssen sie ohne den Symbiosepartner auskommen, der sonst 90 Prozent ihres Zuckerbedarfs aus der Photosynthese deckt. Entsprechend verlangsamt sich das energieintensive Wachstum der Korallen, oder stagniert gar. Wie Muscheln ihre Schalen bilden Korallen ihre Skelette aus Kalk. Das Material dafür gewinnen sie aus Calcium- und Carbonat- Ionen aus dem Meerwasser, die sie im Inneren der Polypen zu Kalk in Form von Aragonit verwandeln.

Wenn Korallen gebleicht sind, befinden sie sich in einem Stadium großer Schwäche. Bakterien, Vieren und Algen greifen dann zu. Umso höher die Intensität des Umweltstresses und je länger er anhält, umso größer die Wahrscheinlichkeit, das die gebleichten Koralle abstirbt. Auch nehmen ausgedehnte Korallenbleichen in ihrer Häufigkeit zu, so dass die Riffe weniger Zeit zur Erholung haben.

Die Probleme von Kaltwasserkorallen sind dagegen völlig anderer Natur. Die oft in großen Tiefe lebenden Tiere müssen sich ohnehin eigenständig versorgen, ihren Lebensraum erreicht zu wenig Licht für die Photosynthese möglicher Symbionten. Dafür sind sie mit einem niedrigeren pH- Wert konfrontiert, denn im kälteren Meerwasser ist deutlich mehr Co² gelöst.

Aufgrund der anhaltenden Verbrennung fossiler Energieträger und Urwälder nehmen die Ozeane heutzutage mehr CO² auf. Das Gas lässt sie versauern. Der sinkende pH- Wert behindert das ohnehin langsame Wachstum der Kaltwasserkorallen, im Extremfall können sich sogar ganze Riffstrukturen auflösen. Zudem konnten Wissenschaftler nachweisen, dass die Karbonat- Sättigung des Meerwassers seit der Industrialisierung immer weiter abnimmt. Ursache dafür ist die besagte Versauerung durch CO². Sie verschiebt das chemische Gleichgewicht im Meerwasser so stark und das zuungunsten der Karbonatbildung, dass die eigentlich schwer löslichen Kalziumkarbonate angegriffen werden. Das betrifft die Kaltwasserkorallen besonders drastisch, da sie in ihrem Lebensraum ohnehin schon mit vergleichsweise geringen Karbonatkonzentrationen auskommen und mehr Energie für den Skelettaufbau aufwenden müssen.

Die Prognosen für diese besonderen Lebensräume sind düster. Schon jetzt befinden wir uns in einer Korallenkrise. Mehr als 30 Prozent aller tropischen Riffe sind bereits stark geschädigt, weiter 50 Prozent gefährdet. Es gibt kaum noch wirklich intakte Riffe.

Dies würde jedoch nicht zwingend das Absterben der Korallen bedeuten, denn einige Steinkorallen besitzen die Fähigkeit, auch ohne ihre Skelette weiterzuleben. Sie sehen dann aus wie Anemonen. Wenn die Bedingungen wieder besser sind, bilden sie neue Skelette. Auch kommen einige Arten offensichtlich ganz gut mit einem niedrigeren pH- Wert zurecht. 2011 erschien eine Studie über Korallen, die vor Papua Neuguinea in direkter Nachbarschaft zu natürlichen Kohlenstoffquellen leben. Es sind jedoch nur wenige Arten die diesen Lebensbedingungen trotzen. Das saurere Milieu geht damit zwar nicht auf Kosten des ganzen Habitats, wohl aber auf die der immensen Artenvielfalt, die tropische Riffe sonst kennzeichnet, leben dort doch zu 1.000 Steinkorallenarten zusammen mit Weichkorallen und Schwämmen.

In kälteren Wassern werden die Riffe zwar meist  von wenigen Steinkorallenarten beherrscht, trotzdem sind auch sie Hotspots der Artenvielfalt. Besonders häufig ist die meist schneeweiße Steinkoralle Lophelia pertusa. Sie gedeiht in 40 Meter Tiefe vor Norwegen ebenso wie in den Untiefen tropischer Gewässer und gilt deshalb als wahrer Kosmopolit. Forscher haben in einem Langzeitexperiment im Labor herausgefunden dass Lophelia sich durchaus an niedrigere pH- Werte gewöhnen kann und dabei sogar noch unvermindert weiter wächst. Entwarnung geben wollen die Wissenschaftler jedoch noch nicht.

Doch sollten auch einige Korallenarten mit einem niedrigeren pH- Wert klarkommen, so handelt es sich doch um eine kleine Minderheit. Auch sollte das Zusammenspiel der verschiedenen Stressfaktoren nicht unterschätzt werden Gegenwärtig macht den Korallen vor allem die Schleppnetzfischerei in der Tiefsee zu schaffen. Dabei  werden riesige, tonnenschwere Netze über die Meeresboden gezogen. Alles was sich ihnen in den Weg stellt wird zermalmt. Fragile Hindernisse wie Korallen haben keine Chance. Innerhalb einigen Wochen zerstören die Schleppnetze das, was über Jahrtausende gewachsen ist.

Dagegen trifft der hohe Nährstoffeintrag ins Meer durch Landwirtschaft und andere Abwässer besonders die tropischen Korallen, die traditionell in nährstoffarmen Gewässern leben. Höhere Stickstoff- oder Phosphatmengen begünstigen Weichalgen, die die Riffe überwuchern. Planktonblüten setzten häufig Giftstoffe frei und beeinträchtigen so auch die übrige lokale Fauna.

So drängen Wissenschaftler und Umweltschützer auch im Sinne der Korallen zu einer drastischen Verminderung der CO² Emissionen sowie zu einem Verbot der Schleppnetzfischerei.

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