Viele Elektrohändler werben mit einem verlockenden Angebot: Das alte Gerät wird kostenlos beim Erwerb eines neuen Modells abgeholt. Doch was passiert damit? Der europäische Wohlstandsmüll landet zum Beispiel auf einer der größten afrikanischen Elektromüllhalden in Ghanas Hauptstadt Accra. Tag und Nacht steigen dort von einem Areal, das in etwa so groß ist wie fünf Fußballfelder, giftige Rauchwolken in den Himmel auf. In Ghana suchen Kinder mit bloßen Händen in verbranntem Elektroschrott nach Kupfer.
Es ist im wahrsten Sinne atemberaubend. Mitten in dieser apokalyptischen Umgebung schlachten bis zu 7.000 Kinder und Jugendliche mit bloßen Händen Elektromüll aus. Das Ziel ist, an das Kupfer in den Kabeln zu gelangen. Nachschub aus dem Westen gibt es genug: 2014 betrug der Müllberg an Elektroartikeln weltweit 52 Millionen Tonnen. In Europa waren es laut EU-Kommission 13 Millionen Tonnen. 85 Prozent des Elektromülls kommen aus Europa
Um das begehrte Metall zu bergen, werden die Computer, Fernseher und Kühlschränke zerschlagen und zerlegt. An manchen Geräten befinden sich sogar noch die Inventarschilder, die ihre Herkunft aus Europa bestätigen. Laut dem Sekretariat des Basler Übereinkommens stammen 85 Prozent der Elektrogeräte, die in Ghana ankommen, aus Europa. Im Jahr 2009 wurden 250.000 Tonnen Elektrogeräte importiert, 70 Prozent waren sogenannte Gebrauchtware.
Nach einem ersten, brachialen Zerlegen wird der Schrott mit Brandbeschleunigern angezündet. In den verbrannten Überresten bleibt unter anderem das Kupfer übrig. Welche Auswirkungen die Arbeit auf ihre Gesundheit haben wird, wissen die ghanaischen Kinder nicht, es fehlt an Aufklärung. Die Kupfersuche auf der Müllhalde ist verlockend, da es keinen Chef gibt und kein Geld abgegeben werden muss. Übrig bleibt freilich nichts: An einem guten Tag kann ein Kind ein halbes Kilogramm Kupfer zusammentragen und bekommt dafür umgerechnet einen Euro von lokalen Schrotthändlern bezahlt. Das reicht für ein bis zwei warme Mahlzeiten.
Der Boden der Müllhalde ist mit Scherben überzogen und mit Gift kontaminiert. Die Füße werden nur notdürftig mit Flip-Flops geschützt, manche Kinder tragen zusätzlich Socken. Eine Tetanus-Impfung hat niemand, die Hände und Füße sind jedoch mit Schnittwunden und Verbrennungen übersät. Die Dämpfe erzeugen brennende Atemwege und Augen, Kopfschmerzen und chronischen Husten. Der Handel mit Schmerzmitteln ist Alltag auf der Mülldeponie. Denn viele Kinder sind nicht registriert und haben damit auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem.
Die meisten Kupfersucher kommen aus der armen Region Tamale im Norden des Landes unbegleitet in die Hauptstadt. Sie mieten sich in Gruppen in einem Zimmer ein, zum Beispiel gleich im angrenzenden Slum, der den passenden Namen Sodom und Gomorra trägt. 75.000 Menschen leben aktuell dort. Daneben befindet sich der größte Lebensmittelmarkt Ghanas, der permanent von den Rauchschwaden und ihrem schneidenden Geruch eingehüllt ist. Früher wurde das Gebiet von einer Lagune begrenzt, heute ist das Wasser schwarz und giftig. Durch Abwassersysteme fließt es am Strand in das Meer und ist auch für die lokalen Fischer ein Problem.
Im Prinzip dürfte die Müllhalde gar nicht existieren. Auf internationaler Ebene kontrolliert das Basler Übereinkommen grenzüberschreitende Transporte von Elektromüll. In Europa gilt zusätzlich seit 2006 die WEEE- Richtlinie, die den Export von Elektromüll in Länder außerhalb der OECD untersagt. Das Material sollte eigentlich gesammelt und recycelt werden.
Doch durch Deklarierung als Secondhand-Ware, Private Goods oder For Charity kann dieses Verbot umgangen werden. Es ist eigentlich unmöglich, einen gesamten Container zu kontrollieren, ob er wirklich nur funktionierende Ware enthält. Dafür gibt es viel zu wenig Personal, daher sind nur Stichproben vorgesehen. Als größte Umschlagplätze gelten die Häfen von Antwerpen und Amsterdam.
Prinzipiell haben die Elektrohändler laut der WEEE- Richtlinie die Verantwortung für die Entsorgung zu tragen. Doch nach Übergabe an die Zwischenhändler verliert sich gewollt die Spur. Der weitere Umgang mit dem Elektromüll ist völlig intransparent und nicht mehr nachvollziehbar.
Daher gehörten vor allem die Hersteller in die Pflicht genommen. Elektrogeräte sollten ohne gefährliche Inhaltsstoffe wie Quecksilber hergestellt werden. Die Praxis, dass Geräte künstlich herbeigeführt schnell kaputt werden oder als veraltet gelten, muss überdacht werden. Viele Geräte werden zudem so produziert, dass sie gar nicht repariert werden können.
Eine Hoffnung auf eine strengere Kontrolle und Gesetze innerhalb Europas, will die Wirtschaft nicht. Die EU sollte ein Hohes Interesse an jenen Ressourcen und Rohstoffe haben um diese in den eigenen Staaten zu behalten. Denn in einigen Geräten befinden sich Metalle, wie der Seltenen Erden oder Gold, wonach in Ghana bis heute nicht einmal gesucht wird. Nachhaltigkeit steht nur auf dem Papier. Was den Rohstoffe Raub unaufhaltsam weiter befördert, zuweilen mit mitteln des Krieges. Kein Wachstum, kein Staatsschuldenabbau. Dafür Arbeiten wir alle, Tag für Tag.