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sushiWofür sich der gemeine Japaner zu fein ist, haut uns hart gesottene Europäer nicht um: So darf Milch in Japan nicht mehr als 200 Becquerel radioaktives Cäsium pro Kilo haben. In der EU sind 1.000. Sonst fällt es dem Japaner eher schwer, Nein zu sagen, aber bei 500 Becquerel Cäsium im Fleisch tut er es dann doch. Dem Europäer hingegen machen 1.250 nichts aus. Für radioaktives Jod gelten in Japan 300 Becquerel in der Milch, in Europa 500 Becquerel als Grenzwert. In Japan darf die Milch nur 1 Becquerel Plutonium enthalten, in der EU 20. Und das ist toll. Denn so kann jeder europäische Bürger Japan helfen.

Die Europäische Union erhöht die Grenzwerte für Lebensmittel aus Japan. So wurde der breiten Öffentlichkeit erst durch Hinweise von Foodwatch bekannt, dass seit dem Wochenende in der EU andere Grenzwerte für die Radioaktivität in Nahrungsmitteln aus Japan gelten.

Gerade erst hatte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erklärt, dass „die EU ihre Sicherheitsmaßnahmen vorsorglich weiter erhöht“, und dass künftig Lebensmittel aus den betroffenen japanischen Regionen „nur noch in Deutschland eingeführt werden, wenn sie in Japan streng kontrolliert und zertifiziert wurden“. Viele Bürger dürften deshalb erwartet haben, dass die Grenzwerte verschärft würden. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Reihe nach: Aufgrund einer Verordnung des Rates der Europäischen Union vom Juli 2008 dürfen „landwirtschaftliche Produkte mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl“ nicht mehr in die EU eingeführt werden, wenn die Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 zu hoch ist. Zu hoch bedeutet gemäß dieser Verordnung (EG) Nr. 733/2008 für Milch und Milcherzeugnisse sowie für Säuglingsnahrung eine Gesamtaktivität von 370 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg). Für alle anderen Nahrungsmittel liegt der Wert bei 600 Bq/kg.

1987 allerdings, im Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe, hatte man sich in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf die Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 „zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation“ geeinigt.

In einem solchen Fall gelten andere – höhere – Grenzwerte. Für Cäsium-137 und -134 etwa liegt der Höchstwert dann bei 400 Becquerel pro Kilogramm für Säuglingsnahrung, für Milchprodukte bei 1000 und für alle anderen Nahrungsmittel bei 1250 Bq/kg.

Der „nukleare Unfall oder eine andere radiologische Notstandssituation“ ist nach Einschätzung der EU nun für Japan eingetreten. Und für japanische Produkte gelten deshalb jetzt die in dieser Verordnung festgelegten Grenzwerte. Wirksam wurde dies mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 297/2011 der Kommission vom 25. März 2011. Vorerst bis zum 30. Juni 2011 gelten also nun Grenzwerte, die mehr Strahlung durch Cäsium-Isotope, Strontium-90, Jod-131 und Plutonium-Isotope, erlauben als vor der Atomkatastrophe von Fukushima-1. Somit können weiter japanische Lebensmittel in die EU eingeführt werden.

Umweltschützer kritisieren schon lange, dass die Entschärfung von Grenzwerten rein wirtschaftlich Interessen dienen. So heißt es auch in der Verordnung aus dem Jahre 1987, diese Werte „tragen der Tatsache Rechnung, dass die Öffentlichkeit beruhigt werden […] muss“. Erschwerend kommt hinzu, dass der Eindruck entstanden ist, die Europäische Kommission habe die neue Verordnung mehr oder weniger heimlich – und von den Medien deshalb mehrheitlich übersehen – beschlossen.

In den Jahren nach Tschernobyl wurde darüber hinaus klar, dass die Gesundheitsfolgen radioaktiver Strahlung jenseits der Werte, die Strahlenkrankheit verursachen, sehr langfristig auftreten und sich kaum seriös einschätzen lassen. Darüber hinaus vermittelt das Vorgehen der Behörden den Eindruck, dass die Sorgen der Bürger nicht ernst genommen werden und dass Wirtschaft vor Verbraucherschutz geht. Das dürfte das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik nicht gerade stärken.

Die Rechtfertigung des Verbraucherschutzministeriums, bisher habe es ja gar keine Grenzwerte für die Lebensmittel-Einfuhr aus Japan gegeben, ist tatsächlich genauso unbefriedigend wie der Hinweis der EU-Kommission, die schärferen Grenzwerte würden wieder in Kraft treten, wenn die Krise als beendet erklärt werde.

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